Tour durch “Reflections of Shock”

Sei es körperliche Schockstarre, sei es innerliche Zerrüttung, Wut, Entsetzen oder Traurigkeit – die Gesichter, die Schock annehmen können, sind zahl- und facettenreich. Im Rahmen der interdisziplinären Gruppenausstellung „Reflections of Shock“, kuratiert von Paula Marschalek, werden unterschiedliche Dimensionen von Schock betrachtet und sowohl die Auslöser als auch die Tragweite jenes Phänomens in den Blickpunkt gerückt.

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Im Rahmen der Eröffnung führte Paula Marschalek (PM) gemeinsam mit den beteiligten Künstler*innen durch die Ausstellung.

Julian Jankovic (JJ) – “frac – king”

JJ: Wir als Kunststoffingenieure wissen um die Vielfältigkeit von Kunststoffen. Es gibt ganz viele Arten davon, ich befasse mich damit mehr und mehr, also auch mit Aspekten von wie man an Kunststoffe gelangt. In der künstlerischen Arbiet “frac – king ” setze ich mich mit einem Thema auseinander, das in den Medien sehr groß ist, das Fracking. Das bedeutet man schießt mit einem Chemikalgemisch durch die Erdoberfläche, und gewinnt so Erdgas und Erdöl. Was ich lustigerweise herausgefunden habe, ist, die erste Erdölbohrung Österreichs, in der heutigen Slowakei, war im Jahr 1914. Das ist zeitgleich das Eröffnungsjahr des Künstlerhauses hier. Beim Fracking entsteht quasi ein Rückschluss, also ein Gemisch das in der Bohrung bleibt, und somit in das Grundwasser gelangt. Das ist eben das Negative. Viele diskutieren darüber und wir wissen eben noch nicht was passiert, weil es keine Langzeitstudien zu diesem Thema gibt. Aber als gesund denkender Mensch würde
ich jetzt einmal meinen, dass es nicht gut für die Umwelt ist. In dieser Skulptur geht es um die Auswirkungen in der Natur. Die Natur ist mit den Hölzern eingebaut, das schwarz eingefärbte Wasser symbolisiert das Erdöl und der Grundstoff besteht aus Plastik. Das Objekt spiegelt eine neue Art von Pflanzen, von Leben, wider, das in der Zukunft entstehen könnte. Wir haben oben die Blüte, die aus einem sehr neuwertigen Kunststoff (Styrolux) entstanden ist. Ich arbeite immer wieder mit österreichischen Forschungsinstituten zusammen, so habe ich Zugriff auf ganz neues Plastik. Bei der Installation sieht man, wie sich das Plastik vom Boden aufwärts bewegt, quasi die Natur einnimmt, die wir kennen. Wenn wir ganz genau hinschauen, sieht man auch Fußabdrücke im Objekt oder Gegenstände, die das Plastik bereits vereinnahmt hat.

PM: Ich finde das spannend, diese neue, mögliche Lebensform (auf Blüte hinzeigend) zu zeigen oder auch den Menschen mit der Installation vor Augen zu führen, wie wichtig unsere Umwelt ist und was wir damit auch anrichten.

JJ: Ja! Es schaut ja auch ästhetisch sehr schön aus, also für mich – ich versuche meine Arbeiten in meiner Wahrnehmung der Ästhetik widerzuspiegeln. Somit haben die künstlerischen Werke immer etwas Schönes, aber auch etwas, das man in der heutigen Zeit hinterfragen muss. Gott sei Dank, ist es bei uns noch verboten, obwohl es eigentlich legal wäre, zu fracken. Dieses Umdenken und Umrüsten für Fracking, ist aber so teuer, dass der Staat sagt: “Wir machen das nicht!”In England, Süd- und Nordamerika ist Fracking sehr stark zu Gange. Die Erbeben in der Türkei, das lässt schon aufhorchen und ev. ist das auch ein Punkt, der durch Fracking ausgelöst wurde, weil man ja wirklich durch die verschiedenen Erdschichten durchschießt. Ich hoffe mit meiner Arbeit einen gewissen Eindruck zu verschaffen, über den man vielleicht länger nachdenkt und diesen auch kritisch hinterfragt.

Frage von Besucher*in: Du hast ja auch erzählt dass es etwas Positives geben könnte. Das hat mich ehrlicherweise fasziniert, weil man vieles Negatives hört, aber so wie ich das verstanden habe bei dir, könnte es sein, dass durch den Einsatz von den Chemikalien auch neue Blühpflanzen entstehen?

JJ: Genau. Die könnte daraus entstehen und hat für uns natürlich etwas Schönes, Unerwartetes, Magisches. Das ist mein Ansatz, der aber fiktional ist, denn wir können das zum jetztigen Zeitpunkt einfach nicht wissen. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass das Positive das Negative nicht überwiegen wird. Irgendwann wird dieser Schockmoment eintreffen, denn
irgendwann gibt es kein Erdöl mehr. Es ist kein nachwachsender Rohstoff. Und dann stehen wir an. Es gibt schon sehr viele Möglichkeiten biologisch abbaubare Kunststoffe zu produzieren.

Melitta Moschik (MM) – “Screen Burn”

PM: Nun gehen wir weiter zur Arbeit aus der Serie “Screen Burn” von Melitta Moschik, die auf geschichtsträchtige Krisen referiert. Es sind hier ganz eindeutige Bilder, die wir alle aus den Massenmedien kennen. Am besten sieht man sich diese Arbeit von der Ferne und der Nähe an. Melitta, kannst du uns noch ein bisschen mehr darüber erzählen? 

MM: Ja, es ist eine Arbeit aus einer Werkserie, die ich “Screen Burn” genannt habe, weil ich mich da mit geschichtsträchtigen Ereignissen beschäftige. Es sind Atombombenabwürfe oder Bilder von Attentaten, wie 9/11. Alles Bilder, die uns praktisch in das Gedächtnis eingebrannt sind. In dem Sinne habe ich diese dann auch in einer CNC-Stanzung aus Metall gefertigt. Um die Eindringlichkeit der Information auch in eine materielle Form zu bringen. Es sind ja digitale Bildinformationen aus dem Internet, die uns ganz bewusst immer und immer wieder gezeigt werden. Da steckt ja auch eine bestimmte Politik dahinter. Diese Bilder, die eigentlich eine relativ geringe Auflösung haben, habe ich dann eben mit der Stanzung in eine analoge Form gebracht. Das war so ein Schwerpunkt von mir 2013.

PM: Super, ja. Was ich bei den Arbeiten so toll finde, ist, dass man eben als Betrachter*in damit spielen kann. Also wenn man nah hingeht, siehst du die Löcher. Und je weiter weg man geht, bewegt sich auch das Bild finde ich. Und das ist schon ein Wahnsinn. Und schon auch, also es hat mich sehr berührt, weil je weiter man hin und her geht, siehst du wirklich wie es sich auch bewegt. Und das finde ich auch so verrückt, ja.

MM: Ja genau. Durch den Schatten kommt dann ein Moiré-Effekt dazu, durch den Perspektivenwechsel changiert das Bild in der Information.

Frage von Besucher*in: Wie funktioniert das mit dem Stanzer?

MM: Es gibt eine eigene Software dafür. Da muss man sich genau anschauen, wie es dann in der Stanzung aussieht, da variieren die Durchmesser zwischen zwei und sieben oder acht Millimeter. Es hängt von unterschiedlichen Wahrnehmungen ab, damit die Bildinformation in gestanzter Form gut wahrnehmbar ist. Die Graustufen des Bildes werden dann in ein Punkteraster übersetzt. Je größer der Durchmesser wird, umso weißer wird dann das Pixel, im Grunde genommen. Die Arbeit ist äußerst schwierig zu fotografieren, die Fotografen verzweifeln dabei, weil man kann das Bild nicht scharf stellen kann.

PM: Ja es bewegt sich so.

MM: Es kommt dann immer so ein Flimmereffekt hinein, auch beim Ausdruck sieht man das dann.

Frage von Besucher*in: Was mich noch interessieren würde, weißt du wie viele Punkte es sind?

MM: Ja, also ich hab es damals gewusst weil ich es auch ganz genau als Raster festgelegt habe. Aber ich weiß es jetzt nicht mehr, es ist schon sicher zehn Jahre her.

Frage von Besucher*in: Und so eine Stanze, stanzt die alle Punkte zugleich?

MM: Nein das ist ganz interessant, das ist alles computergesteuert. Da gibt es eine Palette von Stanzformen, und der holt sich dann sozusagen die Zweimillitmeterstanzung und stanzt das Bild dann ganz beliebig, dann holt es sich die Achtmillimeterstanzung und so weiter. Das ist recht spannend zuzusehen, wie dieses Bild generiert wird.

Gerold Tusch (GT) – „Marie-Antoinette und Du Barry“

PM: Wenn wir weitergehen, haben hier die Prunkvasen mit den Titeln “Marie-Antoinette” und “Du Barry” von Gerold Tusch, die auch auf Krisen Bezug nehmen. Aus kuratorischer Sicht, wollte ich deswegen eine Nähe zu den Arbeiten von Melitta Moschik schaffen. Die Keramikarbeiten von Gerold Tusch referieren aber auf historische Krisen, beispielsweise die Französische Revolution. Kannst du das noch näher ausführen?

GT: Nachdem ich zum Großteil mit keramischen Material arbeite, bin ich sehr gerne an der Grenzlinie zwischen angewandter und bildender Kunst. Ich mag diese Linie auch gerne verwaschen. Vor einigen Jahren bin ich zum Topos der Vase gekommen, und es hat sich gezeigt, dass die Vasen ganz schnell als Personifizierungen wahrgenommen werden, also nicht wirklich anthropomorph sind. Jetzt möchte ich noch zum Thema Schock kommen. Schockierende Personen: Madame Du Barry war Maitresse am französischen Hof, Königsgeliebte, und Marie-Antoinette Königin. Die Geschichte kennt man ja, das war für Frankreich ein Schock. Für Marie-Antoinette war es auch ein Schock, darf man annehmen, vor allem, dass es gesellschaftlich eine derartige Erschütterung mit sich gebracht hat – die französische Revolution. Mir geht es aber ja schon, wenn ich sowas mache, nicht darum, eine wunderschöne prunkvolle Vase zu machen, sondern ich will auch zeigen, wie diese repräsentativen Dinge funktionieren. Wo werden sie hingestellt? Wie nimmt man das wahr? Das heißt, es ist ja ein Werkzeug. Solche Zielgegentände sind Werkzeug der Repräsentation. Nachdem hier Territorium abgesteckt wird, Macht präsentiert wird. Das sind auch zwei sehr mächtige Persönlichkeiten, deshalb habe ich die Titelfindung schön und passend gefunden. 

PM: Wir haben in der Vorbereitung, wie schon vorher erwähnt, überlegt, wo wir die Prunkvasen denn platzieren. Sehr schnell haben wir entschieden, dass sie in ihrer ursprünglichen Funktion als Prunkvasen, den Eingang oder Treppenaufgang markieren sollen, um so diese Funktion zu bewahren.

GT: Genau, dieses Zitat soll also nicht den Bruch herbeiführen, sondern die Referenz fortsetzen und an die erwartbare Position gestellt werden, und den Betrachtenden begrüßen. Wobei ich schon der Meinung bin, mittlerweile ist das echt so ein Glaube als Künstler – das passt auch zu der Frage von Schock – ich will nicht im ersten Moment schockiert werden. Es freut mich, wenn jemand zuerst einmal denkt: “Wow, das will ich, das mag ich.” Dann ist der Betrachtende mal da. Dann ist er/sie bei mir, beim Werk, da soll er/sie sein. Im weiteren Schritt kann man in die Reflexion eintreten, da sind wir wieder bei Reflections – da ist die Reflexion eigentlich gefragt. 

PM: Habt ihr Fragen?

Frage von Besucher*in: Unbedingt. Wie schwer sind denn die Vasen?

GT: Die sind wahnsinnig schwer. Jeder der mal ein Paket Ton mit zehn Kilo gehoben hat, weiß dass das so viel ist. Die sind natürlich nicht massiv, aber selbst wenn da jetzt die Wandstärken nur ein paar cm sind, kommt da viel zusammen. Das Böse ist, die obersten Teile, das ist die meiste Masse, die sind am schwersten. Die sind so schwer, dass wir nur mit dem Team von Kunstverein die Skulptur zusammenbauen konnten. 

PM: Zu viert haben wir das gemacht.

GT: Zu viert haben wir das gehoben. Dann kann man schon sagen, oben sind es zwischen vierzig und fünfzig Kilo. Und dann kann man ja hochrechnen. Die unteren Teile wiegen natürlich ein bisschen weniger, weil sie vergleichsweise nur eine abschließende Fläche und innen so Rippen haben. Insgesamt wiegt die Skulptur sicher über hundert Kilo.

Frage von Besucher*in: Das ist wundervoll gearbeitet finde ich. Ich hätte die Marie-Antoinette nicht sofort erkannt, aber ich sehe sie jetzt.

PM: Das stimmt, super. Sie changiert auch so in dem Licht.

GT: Also alles was das Material jetzt an Ausstrahlung hat, ist glaube ich, der Grund warum ich auch an der Keramik so festhalte. Natürlich ist der Kunststoff auch ein spannendes Material, aber es gibt Qualitäten, die die Keramik kann. Da bin ich wahrscheinlich ein richtiger Keramik-Fetischist, ich steh total auf das Material.

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Julia Bugram (JB) – „#letssmashthepatriarchy“ & “Im Lot”

PM: Julia, ich würde gleich mit deinen Arbeiten weiter machen. Hier haben wir zwei Zeichnungen aus der Serie “Sexualisierung und Selbstbestimmung”. Da ich einen Fokus auf feministische Kunst habe, war es mir ein großes Anliegen dieser im Rahmen der Ausstellung auch einen Platz zu geben. Denn besonders im Diskurs rund um Gleichberechtigung gibt es noch viel zu tun: Frauen haben noch immer nicht diesselbe Position wie Männer, wenn man sich Bezahlung oder Jobchancen anschaut, und Haushalt, Kinder, Familie sind oft immer noch nur “Frauensache”. Leider sind wir von der tatsächlichen Gleichstellung noch weit entfernt, dies macht wütend, schockiert aber auch oft im Alltag. Wie unterschiedlich mit Schockmomenten umgegangen wird, ist in den beiden Zeichnungen ersichtlich. Die alte Dame regt sich ganz demonstrativ über all die Ungerechtigkeiten auf, die im Laufe ihres Lebens passiert sind und zeigt damit eine aktive Geste. Die jungen Frau hingegen, macht die inneren Zustände sichtbar, die sich bei einem Schock abzeichnen. Sie reflektiert, geht nach innen, wird immer ruhiger. Bei einem Schock ist es ja oft so, dass es verschiedene Reaktionen gibt. Diejenigen, die nach außen laut und aggresiv werden sowie diejenigen, die in sich hineingehen, das sehe ich bei der jungen Frau. Könntest du uns vielleicht noch mehr im Detail erzählen, liebe Julia?

JB: Schwerpunktmäßig schaue ich mir immer wieder gesellschaftspolitische Themen an. In dieser Serie, wie Paula schon vorweg genommen hat, zur Situation von weiblich gelesenen Personen. Wie es ihnen geht, was Herausforderungen sind, was Dinge sind, die vielleicht besser oder nicht so gut funktionieren. Die beiden Titel sind zum einen “#letssmashthepatriarchy”, zum anderen „Im Lot“. Also so wie die Mitte zu finden, im Center zu sein. Für mich zwei wichtige Eigenschaften oder auch Herangehensweisen, die man im Idealfall kombiniert. Denn nur dann wenn wir auch reflektiert mit unseren Emotionen umgehen, haben wir die Möglichkeit da entsprechend Durchsetzungskraft auch anzubringen. Wenn wir in der Wut handeln – zum einen verpufft das wahnsinnig schnell – diese Emotion und Energie wird ganz oft auch irregeleitet, fehlgeleitet und es passieren dann eher Dinge die nicht cool sind. Jemand, der*die in sich geht und in der Mitte bleibt, hat da einfach eine ganz andere Möglichkeit. So diese beiden Arbeiten auch in der Zusammenstellung.

PM: Vielleicht auch noch kurz zur Hängung: Worüber ich mich sehr freue ist, dass die beiden Zeichnungen hier erstmalig im Dialog gezeigt werden. Das ist etwas was davor noch nicht passiert ist. Die Tapete, die dahinter das Ganze aufbricht, ist eine Tapete die Julia gestaltet hat und auch in anderen Arbeiten eigentlich verarbeitet. Das soll noch einmal das Häusliche aufgreifen und eine Referenz zur Care-Arbeit sein.

JB: Da greifen sehr viele Aspekte wieder ineinander. Es ist an eine Biedermaiertapete angelehnt. Es gibt mehrere Druckgrafiken im Original, die eben diese Biedermaiertapete mit Worten, Emotionen und Gefühlen verbinden. Hier ist die Tapete ein Digitalprint, die aber quasi das Muster aus der Druckgrafik herausgenommen hat, in Endlosmuster gesetzt, und zusammenhält bzw. zusammenholt. Das Heimelige, das was als Anforderung und Erwartungen an Frauen, beziehungsweise weiblich gelesene Personen gestellt wird.

PM: Gibt es Fragen?

Frage von Besucher*in: Is the drawing finished?

JB: That’s a funny question. Because a lot of people ask me, whether or not I just lost the energy and didn’t want to finish. But it’s not like that. Usually, it is always the question, like if you draw something or work with something that has a really strong message inside. When is the message strong enough or clear enough or do you really need to finish the whole drawing, painting or work. Was it even stronger if you do not finish all of it? Because it leaves open space for more interpretation. And also, it challenges the way we look at it. And it is also different than photography. I don’t try to do photography.

Isabella Fürst (IF) – “1:28”

PM: Wir gehen weiter, vielen Dank. Isabella gehen wir gleich zu deiner Arbeit? Hier sehen wir auch eine Keramikarbeit, wieder im Dialog auch, vorne und hinten. “1:28” beschäftigt sich mit konsumkritischen Aspekten und damit zusammenhängend auch Momenten von Schock in der schnelllebigen Modeindustrie. Die künstlerische Arbeit beschäftigt sich mit dem Beispiel von Fast Fashion. Mittlerweile kennen wir das alle, H&M, Zara und Co., die großen Marken, die ich weiß nicht wie viele Kampagnen und Kollektionen im Jahr raushauen. Isabella, du hast dich mit den Folgen und den Auswirkungen davon auseinandergesetzt. Vielleicht kannst du uns ein bisschen mehr zur Herstellung und auch zu deiner Idee erzählen?

IF: Wie gesagt geht es um die Modebranche, im Großen und Ganzen, darum was wir als Person hinterlassen. Nicht nur so gesehen, an dem was an uns, an unserem Körper übrig bleibt, was anhand der einzelnen Urne symbolisiert wird. Im Durchschnitt ergibt der menschliche Körper ein Volumen an drei Liter Asche. Es geht um die Gegenüberstellung, was an Überresten von Kleidung übrig bleibt, die wir im Laufe unseres Lebens tragen. Das ist bis zu 28 Mal mehr Asche als der menschliche Körper aufweist. Mir war es wichtig diesen Kontrast zu zeigen. Die 1 Liter-Gefäße referieren auf die Masse an Kleidung, die man durchnschnittlich im Laufe des Lebens verbraucht. Die Formen hab ich selbst entwickelt und dann eben hergestellt. Auf den Deckeln sieht man an die Struktur der Kleidungsreste aus meinem Kasten und kann der Imagination freien Lauf lassen, was es gewesen sein könnte. Interessant ist, wie viel nach der Verbrennung übrig bleibt oder auch wie sich die unterschiedlichen Textilien verhalten. Die Installation soll eben auf diese Mechanismen aufmersam machen und uns zum Nachdenken anregen, was wir durch den Konsum hinterlassen und das führt auch zu Schock.

PM: Ja, danke dir. Gibt es Fragen von euch?

Frage von Besucher*in: Das mit den Urnen hätte ich erkannt. Dass das die eigene Kleidung ist finde ich total spannend. Ist das wirklich eine Jeans, weil das ja trotzdem auch weiß ist? Wie ist das denn technisch gemacht?

IF: Es ist so, dass die Strukturen, also die Kleidungsreste die man hier sieht, nochmal in Porzellan getränkt und dann mitgebrannt sind. Dadurch wird es dann komplett weiß. Diese Farben entstehen dann durch einen anderen Prozess, denn ich lege noch Kleidung darauf und zünde diese an. Das was da übrig bleibt hinterlässt dann diese bläulichen oder bräunlichen Farbtöne. Es sind also zwei Schritte: Zuerst verbrennt die Kleidung im Keramikofen komplett und und löst sich im Weiteren dann komplett auf.

Johannes Rass (JR) – „Bühnentier-Cervus Elaphus”

PM: Danke dir, Isi. Ich würde sagen wir gehen gleich zu Johannes Rass weiter, der sich eben auch mit Konsumkritik auseinandersetzt, und zwar im Sinne von Fleischkonsum. Meiner Meinung nach ist es offensichtlich mit was du schockieren möchtest, aber vielleicht könntest du uns mehr darüber erzählen.

JR: Ja, das stimmt es ist offensichtlich, aber lustigerweise habe ich die Erfahrung gemacht, dass das was es eigentlich ist, gar nicht so nah oder auf den ersten Blick zu erkennen ist. Die Arbeit beginnt mit diesem Gestell. Das ist im wahrsten Sinne ein künstliches Skelett, das notwendig ist, um die finale Fotografie zu erzeugen. In diesem fortlaufenden Projekt durchlaufe ich den klassischen Prozess in der Fleischverarbeitung. Man fängt mit dem lebenden Tier an. Das wird geschlachtet, dann wird es verarbeitet und man nimmt es auseinander. Schließlich wird es in der Küche verkocht. Dann kommt das Gestell zum Einsatz und ich baue das Tier wieder zusammen, im verkochten Zustand. Ich mache genau dasselbe, aber bevor es auf den Teller kommt, zeige ich es im gesamten Kontext. Man bekommt dadurch hoffentlich ein Gefühl dafür, dass es einmal ein Gesicht hatte, dass es einmal so ausgeschaut hat. Nachdem die Skulptur dann fotografiert worden ist, wird die Skulptur natürlich verspeist. Also der Weg endet dort, wo er auch sonst immer endet. In diesem Fall, beim Hirsch. Da war es dann so, dass der Kopf übergeblieben ist. Die Trophäe hängt jetzt da oben.

PM: Und es ist ein Hirsch aus Kärnten, oder?

JR: Nein, nicht ganz, der Hirsch ist Grazer gewesen, aber ich war in Gmünd und hab dort alles umgesetzt. Es ist ein sehr performatives Projekt, also das dauert. Allein den Hirsch umzusetzzen, dauert zwei Arbeitstage. Vom geschlachteten Hirsch, über das Verarbeiten, das Zusammenbauen bis dann zum Verspeisen und Dokumentieren. Es ist ein laufendes Projekt, das ich auch schon mit Hühnern gemacht habe. Das war damals eigentlich der Start. Vom lebenden Huhn bis zur Skulptur dauert es eine halbe Stunde. Wenn ich das Huhn schlachte, dann rupfe ich es, nehme es aus und dann wird es verarbeitet. Es ist erschreckend, aber so sieht die Realität aus. In der Küche bzw. in der Gastronomie ist immer auch ein Zeitdruck gegeben. Man muss die Produkte kühlen.

Frage von Besucher*in: Ich habe nicht nachgelesen, sind Sie Koch?

JR: Ich habe tatsächlich Koch gelernt. Also das ist mein Hintergrund.

PM: Was auch schön ist, dass du hier das erste Mal auch das Gestell zeigst. Von der Fotografie in es eigentlich in eine Art Installation gewandert.

JR: Das war mir auch immer wichtig. Dieses Gestell zu zeigen, denn wenn nur Fotografie auf der Wand hängt, wird es einem nicht so klar, was dahinter steckt.

Kurt Spitaler (KS) – „Kollektiv_42“

PM: Ich würde sagen, Kurt, wir gehen gleich weiter zu deinem Beitrag. Wir kommen jetzt zum Akzent in das Gesellschaftliche schlagend. Du setzt dich in dieser Installation mit den Strukturen in der Gesellschaft und sozialen Begebenheiten, die das Individuum betreffen, auseinander. Vielleicht kannst du uns noch ein bisschen was dazu erzählen.

KS: Ja, da sind ganz viele Ideen darin verwoben. Erst einmal das Material, ich kann mich grundsätzlich nicht damit zufrieden geben, dass etwas, was wie ein Kübel ausschaut, ein Kübel ist. Also Materialien sind immer mehr als das was sie eigentlich sein sollen. Weiters sind es für mich Metaphern für gesellschaftliche Phänomene. Ich setze da immer mehrere Elemente zusammen. Diese Arbeit heißt Kollektiv 42, ganz einfach, weil es 42 Teile sind. Es könnte aber auch Kollektiv 43 heißen, wenn es 43 wären. Inhaltlich geht es um das Phänomen, wenn auf der einen Seite irgendetwas passiert, hat das Auswirkung auf der ganz anderen Seite, die jetzt nicht so vordergründig sind, weil ja dieses Objekt mit dem dort drüben nicht wirklich etwas verbunden hat, etwas gemeinsam hat. Aber im Kollektiv sind wir alle miteinander verbunden. Das heißt egal was der eine auf der einen Seite macht, es hat Auswirkungen auf die andere Seite. Genau das ist so simpel und gleichzeitig so schockierend. Eine Pandemie oder auch der Krieg findet nicht nur irgendwo in der Ukraine statt, sondern eigentlich ganz hautnah bei uns. Es sind Symbole, um Dinge aufzuzeigen, die für mich nicht so selbstverständlich sind.

PM: Ich finde es auch spannend, dass du mit Alltagsmaterial arbeitest. Und wir sehen jetzt überall noch römische Zahlen. Was hat es damit auf sich?

KS: Ja das ist eine Zusatzebene. Das sind so Plastikeinsätze, die man in Holzblumentöpfe hineingibt, damit diese nicht kaputt werden. Da wo man Pflanzen reinsetzt. Alltagsmaterial. Diese römischen Zahlen sind eine zweite Ebene, das ist ein System, wie die Dinge miteinander verbunden sind. Diese Zahlen haben grundsätzlich auch damit zu tun, wenn man Handeln betreibt. Man muss das irgendwie festhalten können, und auch irgendwie benennen und strukturieren können. Und eine ganz einfache Variante, die da auch dahinter steckt für mich, ist diese. Ich könnte diese Arbeit nie ein zweites Mal so aufbauen, würde ich mir das nicht im Vornehinein genau so strukturieren. Die Arbeit sieht so aus, weil ich sie so ästhetisch finde. Ich könnte genau so gut einen Teil da raus nehmen und woanders hinstellen hier im Raum, es würde genau so funktionieren.

David Holzinger (DH) – „Von der Handlung“

PM: Danke Kurt. Wir gehen jetzt weiter zur Installation von David Holzinger. Diese zwei Arbeiten sind bewusst miteinander in Dialog gesetzt. David Holzinger, ein Künstler aus Kärnten, ist bekannt für seine akstrakte Malereien und hat vor ein paar Jahren auch mit Installationen begonnen. Die Insatllation zielt auf die Auswirkungen ab, die Menschen in der Interaktion miteinander haben. All diese Einmachgläser hier, die im Einheitsgrau angemalt sind, stehen für unterschiedliche Gruppen in unserer Gesellschaft. Die Position macht auch auf Randgruppen aufmerksam, steht dafür symbolisch. Die Leinwand ist auch präsent, hier mit einer Rettungsdecke aufgespannt – und ihr seht eine Spiegelung – also wir sehen uns ja alle drinnen, Es spiegelt also auf uns zurück. Die Message dahinter ist, was man selbst auslöst, hat einen Effekt auf die anderen. Es ist eine interaktive Installation, daher werde ich jetzt den Anfang machen und es vorführen.Ihr seid alle dazu eingeladen das auch zu machen. Es soll symbolisch zeigen, dass jede Handlung, eine Auswirkung auf das Gegenüber, auf sich und auf den Nächsten hat.

PM: Wir werden jetzt weiter, wir haben noch einige Arbeiten vor uns. Wir haben auf jeden Fall hier noch zwei Positionen die ich euch gerne vorstellen möchte, weil die dazugehörigen Künstlerinnen auch da sind. Sonst kann ich euch noch kurz einführen. Hier gibt es eine Arbeit die sich mit Kindesmissbrauch auseinandersetzt, eine wirklich sehr persönliche Geschichte. Für dieses Video muss man sich Zeit nehmen, es ist sehr berührend und nimmt auch mit. Dort in Dialog stehen die Malereien von Aklima Iqbal, die ursprünglich aus Bangladesch kommt, und sich mit den großformatigen Arbeiten mit sozialer Ungleichheit auseinandersetzt. Wenn Sie sich umdrehen, sehen Sie die Installation “plastic landscaping” von Barbara Bernsteiner. Es ist ein Schwung zum Thema Umweltkatastrophen und die Anzuchtschalen erzählen, welche Realitäten oder Lebensformen sich auch noch in der Zukunft mal finden werden können.

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Anita Münz (AM) – „Guten Appetit“

PM: Jetzt möchte ich aber wieder hierher zurückkommen, liebe Anita. Deine Arbeiten schockieren. Es sind Zeichnungen von dir aus 1981 und 1984.. Anita Münz ist in der SAMMLUNG VERBUND in der Feministischen Avantgarde vertreten, und beschäftigt sich mit der Position der Frau in der Gesellschaft, mit dem weiblichen Körper und der weiblichen Sexualität. Kannst du uns noch Details zu deinen Abeiten erzählen.

AM: Also in dieser Zeit habe ich gezeichnet und diese Bilder hab ich als Befreiungsbilder bezeichnet. Ich bin eben aufgewachsen mit so Sätzen wie „Lust – da muss man sich dafür genieren“ und „Schleuder dich nicht irgendwelchen Männern vor“. Diese Aussagen haben mich schockiert und auch damals schon sehr beeinflusst. Ich habe versucht von dieser Enge wegzukommen. Diese Zeichnung heßt “Wunde” und da habe ich mich einfach so gefühlt, dass ich mich aufreißen muss. Das ist auf der einen Seite so schmerzhaft, auf der anderen Seite aber auch wieder befreiend. Oder hier, wo ich so komplett verbogen bin, verschlungen und beobachtet werde. In dieser Zeichnung habe ich mit den Gitterstäben versucht zu zeigen, wie eingeengt ich mich fühle und ich habe auch versucht freier zu werden.
Das ist auch ein wüstes Bild, das heißt “Selbstbefriedigung zu zweit”. Da habe ich sozusagen Wünsche von Männern an mich nicht annehmen wollen, das war sehr schwer, mich dem zu entziehen. Ja weil ich ja auch irgendwie in einer Beziehung, dem Mann entgegenkommen wollte, aber ich habe mich nicht sehr wohl dabei gefühlt. Wie gesagt das sieht man hier sehr schön, wo ich gefesselt bin, der Kopf und naja, das sind meine Auseinandersetzungen mit Sexualität und Ansprüchen an mich. Ich will damit auch provozieren und schockieren. Zu dieser Zeit habe ich mich damit beschäftigt, dass alles gleichrangig ist. Ob ich jetzt esse oder scheiße, es hat alles einfach eine Bedeutung im Leben und ist vorhanden. Das wollte ich damit zeigen, dass es Dinge gibt über die man reden darf, und Dinge über die darf man nicht reden. Und ich rede über alles, sozusagen.

PM: Danke. Habt ihr Fragen oder Anmerkungen?

Frage von Besucher*in: Was mir gleich auffällt ist das blaue Auge. Hat das etwas – also ich habe sofort gedacht – an das klassische blaue Auge, das man geschlagen bekommt. Oder hat das eine andere Bedeutung?

AM: Also das hat hier nicht diese Bedeutung. Das ist eher ein helles Schauen. Also das hat keine negative, sondern eine positive Bedeutung. Einfach das offene Schauen. Die Figur schaut ja den Betrachtenden an, und das Blau hat das für mich offensichtlich ausgedrückt. Ich meine es ist so lange her dass ich es jetzt nicht mehr genau sagen kann, aber ich kann sicher sagen, dass es nicht irgendwie blaues Auge weil ich da geschlagen wurde bedeutet. Das auf keinen Fall.

P: Also der intensive Blick.

AM: Genau, genau oder auch der zwinkernde Blick.

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Isabel Belherdis (IB) – „Serendipity“

PM: Danke dir. Liebe Isabel ich würde sagen, wir gehen zur Schwellenhüterin weiter.

IB: Jetzt schließt sich eh schön der Kreis mit der Wunde.

PM: Also du diese Arbeit vorgeschlagen hast, war das für mich irrsinnig stimmig und wichtig diese zu integrieren. Für mich zeigt sie nämlich die Verfasstheit, das In-Sich-Kehren nach Erleben eines Schock. Deine Selbstportrait entstehen ja im Rahmen einer bestimmten Performance. Vielleicht kannst du uns noch detaillierter darüber erzählen. Somit gebe ich das Wort an dich weiter.

IB: Die Methodik, die ich da verwende, ist ein bisschen schwer verständlich, aber vielleicht schaffe ich es sie auf den Punkt zu bringen. Ich nenne das “Autoperformance”, das bedeutet eben, dass ich mich selber fotografiere. Anders als im klassischen Selbstportrait, gehe ich in eine demonstrative Haltung. Ich habe Gegenstände bei mir, ich mache mir eine Bühne und der Fotoapparat ist mit dem Computer verbunden, sodass ich auch sehe was ich tue. Das heißt ich fotografiere mich als Schauspielerin, bin aber gleichzeitig auch mein eigenes Publikum, und meine Gegenstände sind meine Assistenten, das Licht auch. Das findet meistens in der Nacht statt und da kreiere ich dann Theaterstücke zu einem Thema, das für mich passend ist. Man könnte es auch ein Spiel nennen. In diesem konkreten Fall habe ich mich mit dem Parzival-Mythos beschäftigt, das kennt ihr bestimmt. Da geht es um eine Wunde, eben daher habe ich gemeint da schließt sich der Kreis zu Anita, weil in diesen mittelalterlichen Aventüren, hat ein Held immer wieder Herausforderungen zu meistern. Parzival wird zum Schutz in ein Narrengewand gesteckt und gleichzeitig wird dem König, der eine Wunde hat, gesagt, dass nur ein Narr diese Wunde heilen kann. Parzival kommt da eher töricht um die Ecke und sollte den König heilen. Das macht er mit einer Frage. Denn diese Wunde ist natürlich eine emotionale Wunde, das kann man auch als Trauma bezeichnen. Trauma ist ein Schock, Trauma bedeutet aber auch auf Griechisch die Wunde. Das ist eine schöne Metapher zum Leben. Manche Menschen warten eigentlich nur darauf, dass man sie fragt, was eigentlich los ist, wo der Schmerz sitzt. Meistens, aufgrund von Konventionen und Höflichkeit fragt heute niemand mehr nach. Kinder haben oft dieses Unbedarfte, dass sie da direkt in das hineinfassen und ja, und so wird dann wirklich die Wunde geheilt. Mit diesem Thema habe ich mich ganz tief auseinandergesetzt und auch diese Zweiteilung, dieses Mipah, das im Mittelalterlichen auch den Narren ausgezeichnet hat, mit meinem Gesicht gemacht.

Frage von Besucher*in: Was war die Frage, die Parzival gestellt hat?

IB: Die Frage war: “Was tut dir weh?” “Was schmerzt dich?” “Was ist eigentlich los?” Ich bin selber im Leben an Situationen geraten, wo man die einfachsten Dinge einfach nicht fragt, weil man irgendwas zu abstrakt und vor allem sehr viel interpretiert.

Frage von Besucher*in: Mich erinnert das auch an diese starken Schatten, das ist noch meine Assoziation gewesen.

IB: Ja die Lichtführung. Mir ist das formal wichtig, dass man ganz nah herantreten kann. Man sieht da jede Pore von mir, früher wollte ich nie Glas vor meinen Arbeiten haben, ich wollte, dass man das greifen kann. Dann habe ich eben durch diese sehr nahe Fotografie einen Weg gefunden eine haptische Qualität in die Bilder zu bringen. Vielleicht noch zum Schluss, hier in dieser Ausstellung ist das Werk umgetauft worden. Da es jetzt so an der Schwelle ist, haben wir beschlossen, mit geistlichem Beistand – wir haben wirklich eine Taufe durchgeführt – es in Hekate umzutiteln. Das ist die Hüterin der Schwelle, die Göttin der Wegkreuzungen, die Mittlerin zwischen den Welten und überall dort wo Entscheidungen getroffen werden, oder neue Wege sich vielleicht ergeben, könnte man zum Beispiel Hekate anrufen.

PM: Was auch schön ist, das haben wir gemeinsam beim Aufbau entschieden, dass die Hängung ein bisschen weiter oben ist, wenn ihr dann da durchgeht, wird Hekate den Blick halten.

IB: Ja, gemäß dieser Serendipity. Das man ein Ziel anvisiert und an dem Ziel, also so heißt es ursprünglich – Serendipity – dann auf dem Weg dorthin, wenn man sich in Bewegung setzt so wie wir das dann macht, entsteht etwas was noch wertvoller ist.

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Veronika Suschnig – „The pills I never wanted” // Beatrix Bakondy – “Hülsen”

PM: Auf der einen Seite haben wir Veronika Suschnig, die sich mit in ihrer Serie “Drugtales” mit Psychohygiene, Fragilität und Möglichkeiten von Therapie auseinandersetzt. Alles Aspekte, die essentiell sind, wenn man einen Schock erlebt. Ihr seht hier Holztafeln auf die Pillenblister, also Tablettenblister aufgearbeitet sind. Dann hat die Künstlerin Slogans darauf angebracht, die für sie zutreffen.

Auf der anderen Seite, sind Fotografien von Beatrix Bakondy zu sehen. Wir sehen hier Körperhüllen, die für mich diesen zeitlichen Moment und die Suspension von Schock einfangen. Kurz zum Hintergrund: Die Fotografien wurden in einer Kirche aufgenommen. Es ist Papier, das wir hier sehen, Abdrücke von Körpern im Papier. Das Spannende ist, dass diese Faltungen, sie hat mir das in der Vorbereitung erzählt, so circa ein Dreivierteljahr halten, dann vergehen diese wirklich. Also dann sacken die zusammen. Sie hat diese Hüllen gleich am Anfang fotografisch festgehalten.

Frage von Besucher*in: Sind das Personen, die da fotografiert wurden?

PM: Genau, sie hat da mit Flüchtlingen zusammengearbeitet, die natürlich nicht erkenntlich sind, es sind aber ihre Körperabdrücke. Sie hat auch erzählt, dass diese Zusammenarbeit sehr spannend war, weil die Personen auch mit Kunst keine Erfahrung hatten. Dieser Prozess des aufeinander Zugehens und miteinader in Aktion gehen, auch sehr berührend und einzigartig für sie war.

Wenn es sonst keine Fragen gibt, bedanke ich mich sehr herzlich, dass ihr alle mitgekommen seid. Ich hoffe, ihr konntet ein bisschen was mitnehmen, und vielen Dank an euch liebe Künstler und Künstlerinnen für die wundervollen Insights.

Fotos: Credit Julian Jankovic

Sexualisierung & Selbstbestimmung

Mit dem breit angelegten Projekt “Sexualisierung & Selbstbestimmung” wird auf kritische Art und Weise der titelgebende Themenkomplex anhand unterschiedlicher Sujets analysiert. Auch 2021 ist die Gesellschaft noch geprägt von patriarchalen Strukturen, die viel Platz für Ungleichgewichte lassen. Geschlechtsspezifsche Vorurteile durchdringen unser Leben und bringen uns dazu, zwei Mal darüber nachzudenken, was wir anziehen oder welchen Weg wir heim nehmen.
C’mon – muss das wirklich sein?

Auf der Parallel 2021 werden die Werke der Künstlerinnen Julia Bugram und Gloria Dimmel in Dialog gesetzt, kuratiert von Paula Marschalek & Alexandra Steinacker für den kuratorischen Verein C/20. Sie zeigen in ihrer Diversität und Vielfältigkeit unterschiedliche Facetten zum Überthema „Sexualisierung & Selbstbestimmung“ auf und laden zur kritischen Refexion ein.

Gloria Dimmel thematisiert ganz nach dem Motto „They come in all shapes and sizes“ das noch immer vorhandene Tabuthema der weiblichen Sexualität und der Vulva. Während Gloria in ihrer Privatwohnung in Wien normalerweise Abdrücke von Vulven anfertigt, werden auf der Parallel exklusiv zwei Termine angeboten. Viele Frauen empfnden Scham für ihre Geschlechtsteile, mehr als 200 Millionen der heute lebende Mädchen und Frauen – aus 30 Ländern – haben sich kosmetischen Operationen unterzogen, um ein Ideal zu erreichen, dass es vielleicht gar nicht geben sollte, denn jede Vulva
ist einzigartig und besonders. Mit ihrem spielerischen und interaktiven Ansatz bringt Gloria Gespräche ins Rollen, schaft Verbindungen und regt zu einer selbstbestimmten Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Körper an.

Julia Bugrams Werke und Projekte suchen den Diskurs mit dem Publikum und stellen unter anderem gesellschaftliche (patriarchale) Gegebenheiten in Frage. Die zahlreichen und diferierenden Sujets zeigen eine intensive Auseinandersetzung mit dem übergeordneten Themenkomplex „Sexualisierung & Selbstbestimmung“ und laden zur kritischen Refexion und Diskussion ein. So sind Julias Werke von einem erzählerischen Charakter geprägt, der eben genau auf diese Thematik verweist. Die großformatigen Zeichnungen aus der Serie bestehen je aus einem Positiv und Negativ, die einerseits auf kunsthistorische Sujets referieren, aber doch in neue, zeitgenössische Kontexte gesetzt werden und andererseits eine freigewählte selbstbestimmte, starke, mitunter auch wütende Pose zeigen.

Credit: Jolly Schwarz & Gloria Dimmel

Sich selbst zum Affen machen. Über “Cut out Monkey” von Ina Loitzl

Ina Loitzl widmet sich in ihrer künstlerischen Praxis sozial-gesellschaftlichen Problemen sowie feministischen Themen und bricht humorvoll längst existierende Klischees sowie Tabus auf, insbesondere im Zusammenhang mit dem weiblichen Körper und der Position der Frau in der Gesellschaft. Künstlerisch arbeitet sie vorwiegend mit Video, Textil und Scherenschnitten, wobei auch die Auseinandersetzung mit dem Raum eine große Rolle spielt.
Performatives etabliert sich immer weiter in ihrem künstlerischen Kosmos, so steigt sie zum Beispiel im Rahmen von „Kunstboxen“ als Kunstfigur A in den Ring und kämpft gegen die eigene Motivation, die Rolle als Frau im Kunstbusiness sowie die Konkurrenz der Kollegenschaft oder verwandelt sich in ihrer Serie „Cut-Out Monkey“ in einen Gorilla, um auf die prekäre Situation vieler Künstler*innen aufmerksam zu machen.

„Mach dich zum Affen“ – diese Aussage kommt bei „Cut-Out Monkey“ von Ina Loitzl doppelt zum Einsatz, so wählte die Künstlerin das Affenkostüm, um einerseits Aufmerksamkeit für künstlerisches Schaffen im öffentlichen Raum zu erregen und
andererseits die Nähe des Affen zum Menschen auszudrücken. Gleich dem Gorilla im Tiergarten, kann die Künstlerin in ihrem Kostüm beim Schaffensprozess beobachtet werden. Diese Möglichkeit bot sich jedoch auch ihr, so konnte sie das Geschehen um ihren gläsernen Käfig wahrnehmen und begann mit ihrer Umwelt jenseits der Scheibe zu interagieren. Im Verlauf des Projekts rückte der kommunikative Akt mit vorbeigehenden Passant*innen und die Interaktion immer stärker in den Fokus der Künstlerin. Hierdurch wurden verschiedenste Reaktionen von Seiten des Publikums hervorgerufen, beispielsweise beleidigende Äußerungen, kraftvolles Schlagen gegen die Scheibe, aber auch die Gabe von Bananen, Aufforderung zu Selfies und Nachrichten.

Mit der Figur des Affen und dem Einsatz der Gorilla-Maske öffnet sich eine Referenz zum aktivistischen Künstlerinnenkollektiv Guerilla Girls, die seit 1985 mit ihrer Kunst in den Kunstbetrieb intervenierten und die diesem inhärente geschlechterspezifische Bevorzugung von Museen und Institutionen im Allgemeinen aufzeigten. Im Anschluss daran will die Künstlerin mit ihrer Performance zur Reflexion über normalerweise opake Prozesse bzw. Benachteiligungen auffordern. So geht es ihr um die Position der Frau bzw. Künstlerinnen im künstlerischen Feld, deren Benachteiligung neben der gesellschaftlichen Zuschreibung von Pflichten (Kinder, Erziehung, Care-Work etc.) am Kunstmarkt, der Bezahlung, und möglichen Messeteilnahmen zutage tritt. Diese diskriminierenden Mechanismen versucht sie in den Blick der Öffentlichkeit zu tragen.

Bei den Wandinstallationen steht weniger das fertige Werk im Vordergrund als vielmehr der Entstehungsprozess und die Arbeit in diesem: ein Moment des künstlerischen Schaffens, welcher selten einsehbar ist. Mittels Cutout-Technik schneidet die Künstlerin Muster sich in die Länge ziehender Spiralen aus monochromer Folie, die tagtägliche Veränderung bzw. Produktion der Installation steht im Fokus und zeigt so Parallelen zur zu ständig steigernden Produktivität in unserer schnelllebigen Gesellschaft. Seit 2019 wurde das Projekt bereits in drei österreichischen Städten (Wien, Salzburg, Klagenfurt) gezeigt, wobei der Prozess und die Entstehung der Wandinstallation jedes Mal einen anderen Outcome hatte, gleich blieb einzig der ‚Weg‘ dorthin.

Während der zweimonatigen CUTOUT-Wandtattoo-Performance am Karlsplatz in Wien transformierte sich die Künstlerin regelrecht zum Tier, das sie darstellte, agierte auch als solches und erzielte dadurch eine gewisse Neugierde und Niederschwelligkeit zur Kunst. Besonders wichtig ist es Loitzl durch den „Monkey“ komplexe Themen aufzugreifen, performativ zu behandeln, sodass Transparenz und Zugänglichkeit möglich werden. Bei der Performance am Karlsplatz in Wien zeigte sie zusätzlich einen Film über die prekäre Lage von Kunstschaffenden und versuchte so diese wichtigen und in der Branche oft unter Verschluss gehaltenen Themen offen zu kommunizieren. In diesem gesellschaftspolitischen Diskurs tun sich Fragen auf, wie „Kann manfrau eigentlich von Kunst leben?“ oder „Was ist denn zu viel?“ Zu zeigen, dass es sich um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen handelt, mit denen manfrau nicht allein ist, denn viele haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, scheint ein Hauptanliegen zu sein. Sich zu verbünden und gemeinsam dagegen anzutreten, wäre sicherlich ein Wunschgedanke, der die allseits bekannte Situation vereinfachen würde. Gemeinsam sind wir stärker!

Paula Marschalek über “Cut-out Monkey” von Ina Loitzl, 2022

Palaces & Courts

„Darauf führte die Göttin Pallas den Theodorus in eins der Gemächer; als er darin war, war es nicht mehr ein Gemach, sondern eine Welt.“

Gottfried Wilhelm Leibniz, Der Palast der Lose, Theodizee [1710]

„Palaces & Courts“von Hanakam & Schuller hält nicht, was es verspricht. Das Kunstduo täuscht uns, wenn es behauptet, wir hätten hier eine künstlerische Strategie, ein Komplexität reduzierendes Vermittlungswerkzeug, einen Wegweiser vor uns. „Palaces & Courts“ scheint es uns vorerst einfach zu machen: Vier Quadrate, vier mäandernde Farben, vier Begriffe, eine Entscheidungsmöglichkeit – repeat. Jeder Weg führt in einen Raum, ein Exponat, ein Narrativ. Und hat ein klares Ende. Doch die Installation führt uns nicht bloß durch Geschichten und museale Räume, sondern erzählt und eröffnet, wie technische Medien das tun, seine eigenen. Wie können wir die Arkana dieses suprematistischen Farb-Tarots lesbar machen?

Kombinatorisches Storytelling nistet sich seit jeher in den Fugen zwischen fataler Fraktalität und simplifizierenden Sagen ein. Aus diesen Fugen ist die Welt. Universalgelehrte wie Ramon Llull im 13. und Giordano Bruno im 16. Jahrhundert entwarfen aufbauend auf Orakeltechniken wie der Kabbala Denk- und Erzählwerkzeuge wie Llulls „Ars generalis ultima“. Im 17. Jahrhundert errichteten vor allem die Jesuiten im Geiste sogenannte Gedächtnispaläste als Möglichkeitsräume ihrer Mnemotechniken, um große Wissensmengen und -zusammenhänge erfahrbar zu machen. Dabei wurden allen Räumen und Objekten darin die zu erinnernden Dinge – seien es chinesische Zeichen, Nachkommastellen von Pi oder sonstige schwer zu merkende Angelegenheiten – zugeordnet. So entstanden lange vor unserer Zeit bereits virtuelle Räume, die bestehendes Wissen speichern und neues Wissen erzeugbar machen konnten.

G. W. Leibnizens eingangs zitierter „Palast der Lose“ entfaltet diesen Gedanken von hypertextuell verschalteten und medientechnisch adressierbaren Welten im beginnenden 18. Jahrhundert weiter in eine virtuose Virtualität, von der die heutige Virtual Reality und das Metaverse leider noch nicht einmal träumen. Anders als die extraktivistischen Plattformen, wider die digitalen Kolonialkorporationen öffnet „Palaces & Courts“ eben diese exklusiven Paläste und Höfe und markiert damit den Übergang von den höfischen Wunderkammern zu den Museen der Aufklärung, wie er sich vom 18. ins 19. Jahrhundert vollzieht. Während Diderot und d’Alembert in ihrer „Encyclopédie“über die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts Millionen neue Seiten der Wissensgeschichte aufschlugen und erstmals „open access“ praktizierten, sind es ab 1851 die in aller Welt stattfindenden Weltausstellungen, die die Idee von Virtualität und Wissen im Realen implementierten. Zum einen skalierten sie Teile der Welt ins Modell und machten sie so erfahrbar, zum anderen transformierten sie nachhaltig Städtebau und Infrastrukturen aus diesen Modellen heraus: Die Welt als Ausstellung. Rotunden, Triumphbögen, Eisenbahnen, Eiffeltürme, Telefone, Thonetstühle, elektrisches Licht, Reißverschluss, Grand Palais und Röntgengerät kamen durch das Medium Weltausstellung in die Welt. Hanakam & Schuller haben mit „Palaces & Courts“ein Medium dieser Geschichte geschaffen, das in seiner formalistischen Orakelhaftigkeit eine universalistische und präzise Navigation durch die Komplexitäten der Welt als Ausstellung und Ausstellung als Welt möglich macht.

Text: Paul Feigelfeld
Credits: Foto Team v.l.n.r Paula Marschalek, Roswitha Schuller & Markus Hanakam Copyright Elsa Okazaki, Screenshots Copyright Hanakam & Schuller

Das Projekt wurde im Rahmen des Digital Call 2021 umgesetzt. Mit freundlicher Unterstützung des Land Kärnten und BMKOES Wien.


‘Thereupon the Goddess led Theodorus into one of the halls of the palace: when he was within, it was no longer a hall, it was a world.’


Gottfried Wilhelm Leibniz, ‘The Palace of the Fates’, Theodicy [1710]

‘Palaces & Courts’ by Hanakam & Schuller does not deliver on its promises. The art duo deceives us with their claim that what we are facing here is an artistic strategy, a complexity-reducing tool of conveyance, a guidepost. At first, ‘Palace & Courts’ seems to make it easy: four squares, four meandering colours, four definitions, one possibility to decide – repeat. Each path leads to a room, an exhibit, a narrative. And has a clear end. The installation, however, does not merely guide us through stories and museum rooms, but, as technical media do, relates and opens up its own. How can we render recognizable the arcana of this Suprematist colour tarot?

Combinatory storytelling has always settled into the seams between fatal fractality and simplifying legends. It is these seams that make up the world. Building upon oracle techniques like the Kabbalah, polymaths such as Ramon Llull in the thirteenth and Giordano Bruno in the sixteenth century designed narrative tools like Llull’s ‘Ars generalis ultima’. In the seventeenth century, it was the Jesuits in particular who built so-called memory palaces in their minds, as spaces of possibilities for their mnemonics in order to render experiential great amounts and correlations of knowledge. All the rooms and objects therein were assigned the things to be remembered – whether it was Chinese characters, fractional digits of the number pi or other matters that were hard to memorise. Long before our time, there were already virtual spaces where knowledge could be stored and new knowledge produced.

At the beginning of the eighteenth century, G. W. Leibnitz’s above-cited ‘Palace of the Fates’ develops this concept of hypertextually interconnected and media-technologically addressable worlds into masterly virtuality which, unfortunately, is not even dreamt of by today’s virtual reality and metaverse. ‘Palaces & Courts’, unlike the extractivist platforms and against the digital colonial corporations, opens these same exclusive palaces and courts, marking with them the transition from the chambers of wonders at court to the museums of Enlightenment as it took place from the eighteenth to the nineteenth century. While Diderot and d’Alembert opened millions of new pages in the history of knowledge during the second half of the eighteenth century with their ‘Encyclopédie’ and were the first to practice ‘open access’, it was the world’s fairs held around the globe from 1851 which implemented the concept of virtuality and knowledge in the real world. They scaled parts of the world to model size, on the one hand, rendering them experiential, and, on the other, lastingly transformed urban development and infrastructures through these models: the world as an exhibition. Rotundas, triumphal arches, railways, Eiffel towers, telephones, Thonet chairs, electric light, the zip fastener, the grand palace, and the x-ray apparatus entered the world through the medium world’s fair. With ‘Palaces & Courts’, Hanakam & Schuller have created a medium of this story which, in its formalistic oracularity, renders possible a universalistic and precise navigation through the complexities of the world as exhibition and exhibition as the world.

Text: Paul Feigelfeld
Credits: Team Photo Copyright Elsa Okazaki, f.l.t.r. Paula Marschalek, Roswitha Schuller & Markus Hanakam, Screenshots Copyright Hanakam & Schuller

The project is funded within the Digital Call 2021. With kind support by Land Kärnten and BMKOES Vienna.

Intervention im Raum. Bianca Ion

Bianca Ion, in Rumänien geboren und in Oberösterreich aufgewachsen, spinnt die klassische Malerei weiter und versucht über die der Leinwand gesetzten Grenzen hinaus zu denken, indem sie installative, räumlich wirkende Elemente auf diese platziert. Sie untersucht die plastische Darstellbarkeit von Bildern, beschäftigt sich eingehend mit dem Spiel der Dimensionen und hinterfragt die Differenzierung der verschiedenen Medien. In ihren formal minimalistischen Arbeiten reflektiert die Künstlerin komplexe Themen, große Fragen der Menschheit sowie die Verfasstheit der menschlichen Psyche.

Bevor sich Ion der bildenden Kunst zuwendete, schloss sie ein Architekturstudium ab und arbeitete viele Jahre in dieser Branche, woher auch die Vorliebe zum Handwerk, das Auge fürs Detail und das Interesse zur Räumlichkeit herrührt. Nachdem die zu bearbeitenden Themen für sie klar wurden, startet der künstlerische Prozess mit maßstabgetreuen Skizzen,
um die Proportionen und Raumwirkung greifbar zu machen. Im nächsten Schritt wird die innere Vision auf die Leinwand appliziert. Dabei spielen Baumaterialien wie Nägel oder Holz eine Rolle, die effektvoll auf die weißen, manchmal auch grundierten Leinwände fixiert werden und dynamische Abbildungen ergeben. Gerade der Kontrast zwischen dem weichen
Stoff und dem harten Metall ist in ihrer künstlerischen Praxis bedeutend. Die Leinwand wird hier nicht nur als Trägermaterial bespielt, sondern agiert als eigenständiges Element der Komposition, die spitzen Nägel sind als Gegenspieler zu verstehen und regen im metaphorischen Sinne dazu an die Sprache des Materials zu erkunden. Ion geht es hier um die Wechselwirkungen zwischen Empfindungen, Wahrnehmungen sowie Gestaltung und Reflexion, um ein haptisches Erleben in einer schnelllebigen, konsumorientierten und durch das Internet geprägten Gesellschaft zu evozieren.

Die Gegensätzlichkeit, die formal durch die künstlerische Arbeit zum Ausdruck kommt, stellt sich speziell in den feministisch inspirierten Serien „Femme I-III“ und „Be A Lady (They Said)“ auch thematisch dar. Es sind vor allem Klischeevorstellungen, widersprüchliche Ideale aus Werbung und Social Media sowie gesellschaftliche Normen, mit denen Frauen* tagtäglich konfrontiert sind. Ein angeblich freies System zwängt jene dennoch in vorgegebene Rollen, so wird das unsichtbar scheinende Korsett immer enger geschnürt. Diese Unvereinbarkeiten treten gestalterisch hervor, so sind es kontrastierende Materialien, die aufeinandertreffen und beim Betrachten eine körperhaft-plastische sowie räumliche Illusion erzielen. Stets von Klarheit sowie Struktur geprägt, greifen ihre Werke in den Raum ein und können so als symbolisches Zeichen, als Aufbegehren gegen das patriarchale, rigide System gesehen werden.

Andere Werke erinnern an Lucio Fontanas Schnittbilder, wenn sich die Künstlerin einer ähnlichen Herangehensweise verschreibt. Sie schneidet die Leinwand ein und kehrt so vorher nicht sichtbare Schichten hervor. Eigentlich nicht wahrnehmbare, körperliche Prozesse des Unbewussten werden ans Tageslicht gebracht und geben dem Individuum eine vorher nicht vorhandene Tiefe, deren Grund nicht artikulierbar scheint. Die Komplexität der Welt zu fassen und all die Zusammenhänge zu verstehen kann für den*die Einzelnen überfördernd sein. Durch die formvereinfachte und reduzierte Weise macht die Künstlerin auf solche Bewusstseinsprozesse aufmerksam.

Ions Arbeiten verleihen der Leinwand auf verschiedene Arten eine Räumlichkeit und befreien diese so aus lange währenden Konventionen. Der Bruch mit dieser bietet ihr den Raum zu einem dynamischen Spiel, das den Materialien zu neuem Ausdruck verhilft.

Paula Marschalek über die künstlerische Praxis von Bianca Ion, 2022.
Fotos (c) Bianca Ion.

New Beginnings. Gruppenausstellung

Die interdisziplinäre Ausstellung „New Beinnings“ setzte künstlerische Arbeiten von Francesca Aldegani, Guadalupe Aldrete, Louise Deininger, Aklima Iqbal, Leon Kapeller und Derek Roberts von 21.10. – 25.11. 2022 im FLOMYCA (Floridsdorf Museum of Young & Contemporary Art) in Dialog zueinander und zeigte unterschiedliche Perspektiven zu Diversität auf.
Alle Kunstschaffenden kommen aus unterschiedlichen Ecken der Welt, wie beispielsweise USA, Ostafrika Kenya-Uganda, Mexiko, Italien, Bangladesch und Österreich. Ausgangspunkt ist die jeweils eigene Kultur in Wechselwirkung mit einem neuen sozialen bzw. gesellschaftlichen Kontext. Was Diversität im Kleinen, Großen, Privaten und Gesellschaftlichen bedeutet und wie die Künstler*innen in unterschiedlichen Medien daran herantreten und welches Potenzial sie nutzen, wird näher betrachtet.

Francesca Aldegani, Guadalupe Aldrete, Louise Deininger, Aklima Iqbal, Leon Kapeller und Derek Roberts, kuratiert von Paula Marschalek von 21.10. – 25.11. 2022 im FLOMYCA (Floridsdorf Museum of Young & Contemporary Art) unterstützt von Bildrecht, Otto Mauer Fonds und powered by artcare & Simacek

Aldegani beschäftigt sich in ihren knallig-bunten Textilobjekten als auch in konzeptuellen Arbeiten mit Theorien des Animismus sowie Ökofeminismus. Die Auseinandersetzung mit Materialität spielt bei Aldrete eine Rolle, so greift sie in konzeptuell geprägten Arbeiten das Thema der eigenen Geburt sowie die Erinnerung daran auf und stellt jene in Verbindung zur Verkörperung von Erbe und Abstammung. Deininger erforscht in Skulpturen, Installationen, Performance und Malerei, was Bewusstsein, Selbstentwicklung, Selbstmanagement, Metaphysik, Identität und kritisches Denken auslöst. Iqbal greift in ihrer Praxis Gegensätze auf und erzählt in farbenfrohen Malereien sowie in kleinteiligen Zeichnungen fantasievolle, surreale, auch absurde Geschichten. Auch bei Kapeller lassen sich Absurditäten fi nden und mysteriöse Erscheinungen treff en auf seltsame Emergenzen sowie Metamorphosen. Bei Roberts lebendigen, vielschichtigen Papierarbeiten verschmilzt Abstraktion mit Figuration und Sprache. Im Mittelpunkt steht ein Verständnis und die Erforschung der afrikanischen Diaspora sowie das Freilegen bzw. Umgestalten der Black Experience.

Ziel ist es unterschiedliche Blickwinkel zuzulassen, und interkulturellen Austausch zu ermöglichen. „New Beginnings“– ein Neubeginn für Vieles!

Text: Paula Marschalek | Fotos: Theresay Wey

Von Formen, Materialien und Prozessen

„Lerne von der Geschwindigkeit der Natur: ihr Geheimnis ist Geduld.“

Ralph Waldo Emerson

Isabella Fürst setzt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit gesellschaftlichen Strukturen auseinander und untersucht unter anderem Aspekte von Gleichberechtigung, Umweltschutz, Klimawandel und Konsumkritik. Mit ihrer klaren, reduzierten Formensprache entwickelt die junge Niederösterreicherin elegante, zeitlose und taktile Keramikobjekte, die sich an der
Grenze zwischen Design und Kunst verorten lassen.

process // idea
Die Natur mit all ihren Phänomenen übt für den Menschen eine große Anziehungskraft aus und ist für viele Künstler:innen der Kunstgeschichte als Inspirationsquelle ein fortlaufendes Thema. Bei Fürst steht in der künstlerischen Praxis neben dem Experimentieren mit Formen das Auffinden von außergewöhnlichen Materialien und Prozessen im Vordergrund, die sie in
ihr Schaffen integriert. Dabei sucht sie immer wieder Anregungen in der Natur. Das hierfür gewählte Ausdrucksmedium ist primär die Keramik, diese fasziniert die Künstlerin aufgrund ihrer materiellen Vielfältigkeit und der Diversität der verschiedenen Bearbeitungsschritte. Oft ist das Ergebnis im Vorhinein nicht absehbar, sondern erst im Zuge der Arbeit zu antizipieren.
Dies kann manchmal für die Künstlerin frustrierend wirken, ermöglicht aber zugleich die Freilegung von Neuem im Prozess. Für Fürst liegt hier ein Kreislauf zwischen Material und Idee (Form) vor, da nicht nur die Form das Material prägt, sondern auch in der Umsetzung durch das Material neue Ideen generiert werden, sodass Form und Material sich wechselseitig vorantreiben. Diesem evolutionären Aspekt der künstlerischen Arbeit am Objekt wird die Anforderung nach Einfachheit der Form entgegengestellt. Die reduzierte Formensprache dient dazu das Material als Inhalt und die Details hervorzuheben, um so die Bedeutung von jenem abermals zu betonen. Hinter der einfachen Erscheinung steckt aber ein langer Prozess der Ausarbeitung und Adaption, sodass die oberflächliche Simplizität perfekt gelingen kann. All dies imitiert wiederum Natur und ihre vermeintliche Einfachheit, die lange, komplexe Entstehungsprozesse verdecken, durch die erst ein natürliches Objekt werden konnte, was es ist. Analog zur Prozesshaftigkeit des Natürlichen betont Fürst durch die künstlerische Reproduktion jener die Gewordenheit der sozialen Strukturen und zeigt ihre Kontingenz auf.
Wie gesellschaftlich mit Natur oder miteinander umgegangen wird, ist Ergebnis eines noch immer offenen, vielschichtigen Prozesses, in den interveniert werden kann und muss. Hier fungiert die angewandte, kritische künstlerische Praxis als (Wieder-)Aneignung einer Natürlichkeit, die gegen die bestehenden Verhältnisse eingreift, indem sie der Natur ihre
Bedeutung wieder verleiht.

transformation // nature
Bei den Keramikobjekten der Serie „Metamorphose“ stehen Geometrie, schlichte Formen und eine klare, unverkennbare Ästhetik einerseits organischen Strukturen gegenüber und andererseits in einem Verhältnis zueinander. Angetrieben davon die Zweckmäßigkeit (Telos) eines Objekts zur Transformation zu bewegen, modelliert Fürst die abgegossene Form, indem sie eine zusätzliche Schicht aufträgt, händisch bearbeitet und verwandelt somit die Vase als Massenprodukt in ein Unikat. Es entsteht so ein Verweisungszusammenhang zwischen den Schichten, der die Metamorphose des Alltagsgegenstands in ein Kunstobjekt reflektiert und transparent darstellt. Auf diese Weise wird der Prozess selbst sichtbar gemacht, wobei gleichzeitig der Gegenstand noch immer zweckhaft Verwendung findet (die Vase als Vase) und sich so das Objekt an die Schnittstelle zwischen Kunst und Design, Handwerk und Industrie sowie Unikat und Massenprodukt ansiedelt. Ein Zickzack der Bedeutung und des Kontextes.

Während die Künstlerin in „Metamorphose“ natürliche Prozesse in eine kulturelle Praktik übersetzt und gesellschaftliche Kategorisierungen unterläuft, untersucht sie in „Korallenbleiche“ die Wechselbeziehung von Natur und Gesellschaft sowie die
Auswirkungen der einen auf die andere. Sie bezieht sich hierbei auf das durch den Klimawandel vorangetriebene Ausbleichen von Korallenriffen und deren Absterben sowie der damit einhergehenden Erwärmung der Meere. Im Zuge dessen verlieren sie nicht nur ihre prächtige Farbe, weiters ist der Lebensraum unzähliger Tierarten gefährdet. In diesem Zusammenhang entstand eine weiß gehaltene Welt aus Keramik, die als Dekorationsgegenstand sowie als Ausstellungsinstallation dient. Die an Korallenriffen nachempfundenen Figuren befassen sich mit dem Verfall dieses Ökosystems, indem manche Stücke bereits abgestorben und zerfallen, andere noch gut erhalten sind, und machen somit auf die akuten Folgen des Klimawandels aufmerksam.

Credits v.l.n.r.: byware | Isabella Fürst | Isabella Fürst

Mit „Natur x Porzellan“ versucht Fürst neue Materialien durch Experimente mit Stein, Muscheln oder Sand für ihre künstlerische Arbeit zu finden und für zukünftige Projekte verfügbar zu machen. Speziell stellt sie sich die Frage, wie diese Stoffe mit rohen bzw. gebrannten Porzellan sowie Glasuren agieren und so als neue Inspirationsquelle dienen können.

(re)production // society
Fernab der Keramik setzt sich die Künstlerin in „Anfang und Ende“ mit einem anderen natürlichen Rohstoff, Holz, und seiner Entfremdung in der gesellschaftlichen Produktion auseinander. Sein Ende findet Holz in der Fabrikation zu einem kostengünstigen Produkt: der Spanplatte. Dabei werden Reste zu kleinen Stücken zerhackt und miteinander verpresst. Kontrapunkt hierzu bildet die Entstehung der Rinde als Schutz des Holzes am Anfang seines Zyklus. Um den Bearbeitungsprozess fortzusetzen und den vermeintlichen Anfang und Ende erneut zu verbinden, kerbt Fürst händisch die Oberfläche einer industriell hergestellten Spanplatte und prägt ihr eine Rindenstruktur ein. Zur Sprache gebracht wird das der
Zirkulation inhärente Spannungsverhältnis von Gesellschaft und Natur und den jeweiligen Produktionsweisen. Die Dauer der Bearbeitung ergänzt das Werk um eine zeitliche Bedeutungsdimension. Sie gemahnt an die lange Zeit, die ein Baum zum Entstehen benötigt, der Reproduktionszeit des Rohstoffs Holz, im Gegensatz zur kurzen Verarbeitungszeit in den Produktionsstätten.

In „1:28“ reflektiert Fürst die Kehrseiten des Konsums und damit im Zusammenhang die schnelllebige und kritisch zu betrachtende Modeindustrie, insbesondere das Phänomen von Fast Fashion, und problematisiert die zeitliche Beschleunigung in einer Konsumgesellschaft. Während Slow Fashion auf nachhaltige, wertige und faire Mode sowie bewussten Konsum abzielt, produzieren seit der Jahrtausendwende H&M, Zara und Co billige und schnelle Massenmode, die weder gut für unsere Umwelt noch den Menschen ist. Die Auswirkungen, die damit einhergehen, macht die junge Künstlerin in ihrer eindrucksvollen Installation bewusst. Eingehende Recherche zeigt, dass der Mensch durchschnittlich in seinem gesamten Leben über eine Tonne Kleidung verbraucht, woraus sich ca. 84 Liter Asche aus der Verbrennung dieser ergeben. Demgegenüber bleibt bei der Verbrennung des menschlichen Körpers nur rund drei Liter übrig. Ein Körper produziert demnach im Maßstab 1:28 zu seiner
eigenen Asche Verbrennungsreste von Kleidung im Laufe seines Lebens. 28 (= 84/3) aus Keramik gegossene Urnen zu je drei Liter Fassungsvermögen visualisieren die Überreste der Kleidung, die ein Mensch in seinem Leben hinterlässt. Die Absurdität dieses Umstands liegt in den Größenverhältnissen. Außerdem finden sich auf dem Deckel der Gefäße Verbrennungsreste unterschiedlicher Textilmaterialien. Dies soll zur Schau stellen, welche Werkstoffe, zu großen Teilen Plastik, von uns am Körper getragen werden und wir uns so immer mehr von Natur verabschieden.

Credits v.l.n.r.: Benjamin Rößler | Nikolaus Korab | Nikolaus Korab

Mit dem feministischen Projekt „unrasiert“ untersucht Fürst, warum weibliche Körperbehaarung immer noch ein großes gesellschaftliches Tabu ist und fördert mit den kleinen Objekten Niederschwelligkeit, offene Kommunikation und Aufmerksamkeit in Hinblick auf dieses Thema. Die vier Keramikarbeiten liegen gut in der Hand, sind bestückt mit einer unterschiedlichen Anzahl von Echthaaren, erinnern an Tools, die von gesellschaftlich dominanten Rollenbildern ausgelöstem Stress vorbeugen sollen und helfen diesen abzubauen bzw. die Nerven zu beruhigen. Von rechts nach links lassen sich die verschiedenen Intensitätsstufen vorfinden: Als Startpunkt bietet ein Objekt mit wenig Haaren ein erstes Kennenlernen bis hin zu dem vierten, das komplett mit Haaren bedeckt ist. Dabei möchte die Künstlerin das Gefühl von Eckel und Unbehagen, dass viele in Zusammenhang mit Körperbehaarung haben, aus dem Weg räumen und eine größere Toleranz vorantreiben.

Credit: Benjamin Rößler

Autorin: Paula Marschalek

Beyond Borders PARALLEL 2022

„Beyond Borders“ mit neuen Malereien von Kinga Jakabffy kuratiert von Paula Marschalek wird von 06. – 11.09.2022 im Rahmen der PARALLEL 2022 (A311) zu sehen sein und nimmt Bezug auf aktuelle, heiß umkämpfte Aspekte von Gender Equality sowie Selbstbestimmung und setzt sich mit reproduktiven Rechten sowie Abtreibung auseinander. Fragen, wie jene nach dem Grund der diskursiven Relevanz des gebärfähigen Körpers in der Gesellschaft und seiner dogmatischen Eingrenzung, sind hier wesentliche Ausgangspunkte. Der um diese Thematik geführte Diskurs stellt sich als ideologisches Schlachtfeld dar, durch das sowohl Stigmatisierung als auch Tabuisierung etabliert und Selbstbestimmungs- sowie Reproduktionsrechte von Frauen* beschnitten werden. Sie können noch immer nicht über ihren Körper selbst bestimmen, ihr Entscheidungsspielraum ist von politischen, sozialen oder religiösen Systemen abhängig, während patriarchale Strukturen die zwischen den Geschlechtern bestehende Ungleichverhältnisse erzeugen und reproduzieren.


Jakabffy setzt sich auf unterschiedliche Art mit der queer-feministischen Thematik auseinander und gewinnt dieser durch neue Perspektiven etwas Innovatives ab. Sie interveniert damit in gesellschaftliche Erzählungen und bricht vermeintliche Gewissheiten auf.


Die Präsentation zeigt in ihrer Diversität und Vielfältigkeit unterschiedliche Facetten und visuelle Kommentare dieser Themen auf. Erörtert werden Ansichten zur rechtlichen Lage, Probleme von sicheren und freien Zugängen zu Abbrüchen und Herausforderungen, wie etwa innerhalb homosexueller Beziehungen Kinder zu bekommen. Damit zusammenhängend reproduktive Rechte, soziale & gesellschaftliche Bedingungen bzw. Erwartungen an die Frau*, die Ausgrenzung von ethnischen Minderheiten hinsichtlich dieser Themen. Das Project Statement lädt zur kritischen Reflexion und zu einem Safe Space ein.


Der Titel „Beyond Borders“ zeigt, dass es sich vor allem beim Tabuthema Abtreibung um ein globales Problem handelt, das über die Grenzen der Nationalstaaten hinaus geht. Nicht nur inhaltlich, sondern auch in der visuellen Gestaltung wird diesem Sachverhalt nachgekommen. Die Sujets enden nicht an den Rändern der Leinwand, sondern breiten sich über die Wände aus, die Malerei wird als Erweiterung im Raum begriffen und für das Publikum zu einer immersiven Erfahrung. Durch den Bruch und die Verlängerung außerhalb der Leinwandrände wird das „Borderland“ aufgezeigt – der limitierte Bereich, in dem sich alle Lebensformen zurechtfinden müssen.

Credit: Zoe Opratko

KINGA JAKABFFY: Als queere Künstlerin einer Einwander*innenfamilie beschäftigt sich Kinga Jakabffy mit Fragen der sexuellen Orientierung und Identitätsbildung in heteronormativ patriachalen Strukturen. Porträtiert werden fürsorgliche zwischenmenschliche Beziehungen, die Gefühle liebevoller Gemeinschaft und Nähe der Figuren evozieren, sei es durch Tanz, Umarmungen oder Küsse. Ihre Arbeiten wurden in Einzel- sowie Gruppenausstellungen auf nationaler und internationaler Ebene präsentiert und sie ist in privaten Sammlungen vertreten.

Dancing around Suffering. Finding Light in Darkness by Kristina Kulakova

The exhibition “Dancing around Suffering. Finding Light in Darkness” curated by Paula Marschalek deals with often negatively connoted aspects of suffering, offers an alternate way to find balance, freedom, and peace in life.
Inspired by mediation, and personal experiences, Kristina Kulakova sees life as a dance around suffering, in which something positive can always occur, enabling us to overcome given problems and reconsider the way of life. She shows the photographic series DANCING AROUND SUFFERING. In the exhibition, three different compositions are shown for the first time. Exceptional flowers, fruit or vegetables, which can be found in every refrigerator, are draped in a still life that alludes to transience and shows the beauty of everyday life. For this series, Kulakova mixed analog photography with digital, using light filters to create distortions to depict the illusory nature of our perception. The titles Passadi, PITTI, Upeka refer to different stages of meditation, being on the path to enlightment as well as reflecting the state of the inner self.


Especially, for the space and the exhibition, she designed a silk print that draws attention to the inner processes of suffering, and allows a glimpse behind the facade, into the private, into the inner mind. Visitors can walk around it, their vibrations and ideas are absorbed by the textile object. It gets into motion.

For an interactive sculptural element, Kulakova invited the designer Evgeniia Kazarezova to introduce her interactive ceramic installation Portrait of the inner self, which offers to create an abstract image of your inner being by combining various ceramic elements with the CHOAS DOME. The diversity of the object symbolises both the nature of a life flow and a human character – a balance of naivety and complexity, symmetry and disorderly. The Chaos dome was created by wheel-throwing the dome shape. 77 holes were made for placing the dissimilar hand-built elements. It is part of a long-term project of social exploration and gathering an archive of human feelings through the act of co-creation of the piece of art. In this exhibition the question „What‘s on your mind?“ and the playful possibility of arranging flowers and ceramics individually according to one‘s own feelings, calls for interactivity and allows for a collective reflection. Creating a portrait implies setting ceramic elements in a certain way combining them with the dome. It is free to choose how many elements to use and how to arrange them.

Credits: Kristina Kulakova

Raising Hands Miteinander. Unmögliches. Erschaffen.

Raising Hands ist ein partizipatives Kunstprojekt von Julia Bugram, das zwei sich helfende Hände aus einer Million 1-Cent-Münzen zeigt. Eineinhalb Meter hoch, drei Meter breit, zwei Meter tief und vier Tonnen schwer steht Raising Hands als Symbol für Solidarität und ein respektvolles, wertschätzendes Miteinander.


Finanziert wurde das Projekt durch ein Crowdfunding auf der Plattform „we make it“ und Dr. Hans Peter Haselsteiner. Unzählige Menschen haben sich im Laufe des Projekts für das Vorhaben und die gemeinsame Vision einer gesunden und starken Gemeinschaft eingesetzt und bei unterschiedlichsten Herausforderungen geholfen. Als Zeichen dieser wurde gemeinsam mit der Öffentlichkeit an der dreidimensionalen Skulptur gearbeitet. Der Universalklebstoff Loctite 4070 von Henkel sorgt dafür, dass die Münzen miteinander verbunden bleiben.

Aufstellung Raising Hands


Zwischen März 2020 und Oktober 2021 konnte eine breite Gesellschaft bei mehreren Aktionen in Wien und Niederösterreich mitmachen und Plattenteile bekleben. Während der herausfordernden Lockdowns konnten
innerhalb Wiens Covid-konform und kontaktlos die Plattenteile nach Hause zugestellt werden, um auch in dieser Zeit am Projekt teilnehmen zu können. Am 05.04.2022 findet die temporäre Erstaufstellung der Skulptur mithilfe von Dompfarrer Toni Faber am Stephansplatz – im Herzen Wiens statt. Die öffentliche Abschlussfeier und Präsentation finden aufgrund der
aktuellen Welle voraussichtlich am 19.05. 2022 statt.